Rechtsprechung
   BVerfG, 09.12.2022 - 1 BvR 1345/21   

Zitiervorschläge
https://dejure.org/2022,41298
BVerfG, 09.12.2022 - 1 BvR 1345/21 (https://dejure.org/2022,41298)
BVerfG, Entscheidung vom 09.12.2022 - 1 BvR 1345/21 (https://dejure.org/2022,41298)
BVerfG, Entscheidung vom 09. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 (https://dejure.org/2022,41298)
Tipp: Um den Kurzlink (hier: https://dejure.org/2022,41298) schnell in die Zwischenablage zu kopieren, können Sie die Tastenkombination Alt + R verwenden - auch ohne diesen Bereich zu öffnen.

Volltextveröffentlichungen (9)

  • openjur.de
  • Bundesverfassungsgericht

    (Polizeiliche Befugnisse nach SOG MV)

    Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern teilweise verfassungswidrig

  • rechtsprechung-im-internet.de

    Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 10 Abs 1 GG, Art 13 Abs 1 GG, Art 13 Abs 2 GG
    Regelungen des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung Mecklenburg-Vorpommerns (SOG MV) zu bestimmten Befugnissen (besondere Mittel der Datenerhebung, Wohnraumüberwachung, Online-Durchsuchung, Telekommunikationsüberwachung, heimliche Wohnungsbetretung, ...

  • Wolters Kluwer

    Verfassungswidrigkeit einzelner polizeilicher Ermittlungsbefugnisse nach dem Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (Sicherheits- und Ordnungsgesetz - SOG MV); Heimliches Betreten einer Wohnung zur Vorbereitung einer ...

  • rewis.io

    Regelungen des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung Mecklenburg-Vorpommerns (SOG MV) zu bestimmten Befugnissen (besondere Mittel der Datenerhebung, Wohnraumüberwachung, Online-Durchsuchung, Telekommunikationsüberwachung, heimliche Wohnungsbetretung, ...

  • doev.de PDF

    Polizeiliche Befugnisse nach dem SOG MV; Kernbereichsschutz beim Einsatz von verdeckt Ermittelnden und Vertrauenspersonen

  • rechtsportal.de(Abodienst, kostenloses Probeabo)

    Polizeiliche Befugnisse nach SOG MV

  • rechtsportal.de

    Polizeiliche Befugnisse nach SOG MV

  • datenbank.nwb.de

    Regelungen des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung Mecklenburg-Vorpommerns (SOG MV) zu bestimmten Befugnissen (besondere Mittel der Datenerhebung, Wohnraumüberwachung, Online-Durchsuchung, Telekommunikationsüberwachung, heimliche Wohnungsbetretung, ...

Kurzfassungen/Presse (5)

  • Bundesverfassungsgericht (Pressemitteilung)

    Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern teilweise verfassungswidrig

  • Rechtslupe (Kurzinformation/Zusammenfassung)

    Polizeiliche Befugnisse nach dem Sicherheits- und Ordnungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern

  • lto.de (Kurzinformation)

    Ausgeweitete Ermittlungsbefugnisse: Polizeigesetz in Mecklenburg-Vorpommern teils verfassungswidrig

  • tp-presseagentur.de (Kurzinformation)

    Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern teilweise verfassungswidrig

  • verlag-rolf-schmidt.de (Kurzinformation)

    Zum Erfordernis einer konkretisierten Gefahr bei heimlichen Überwachungsmaßnahmen

Sonstiges

Verfahrensgang

Papierfundstellen

  • K&R 2023, 266
 
Sortierung



Kontextvorschau





Hinweis: Klicken Sie auf das Sprechblasensymbol, um eine Kontextvorschau im Fließtext zu sehen. Um alle zu sehen, genügt ein Doppelklick.

Wird zitiert von ... (11)Neu Zitiert selbst (50)

  • BVerfG, 20.04.2016 - 1 BvR 966/09

    Bundeskriminalamtsgesetz - Teilweise erfolgreiche Verfassungsbeschwerden gegen

    Auszug aus BVerfG, 09.12.2022 - 1 BvR 1345/21
    Der sehr kurze Vortrag genügt vor dem Hintergrund der differenzierten verfassungsrechtlichen Anforderungen an das durch eine polizeiliche Überwachungsmaßnahme zu schützende Rechtsgut (vgl. BVerfGE 141, 220 ; 155, 119 ), insbesondere wenn das Rechtsgut wie hier durch Verweisung auf Straftatbestände benannt wird (vgl. dazu BVerfGE 125, 260 ; 141, 220 ; 154, 152 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 244), nicht.

    Auch hier wäre eine nähere Begründung anhand der nach der Art und der Ausgestaltung der Befugnisse differenzierenden verfassungsrechtlichen Maßstäbe erforderlich (vgl. BVerfGE 141, 220 ).

    aa) Im Fall heimlicher Überwachungsmaßnahmen, von denen die Betroffenen kaum Kenntnis erlangen und gegen die Rechtsschutz in der Regel nicht möglich ist, ergeben sich aus dem jeweiligen Grundrecht in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besondere Anforderungen (vgl. BVerfGE 65, 1 ; 133, 277 ; 141, 220 m.w.N.; stRspr); sie folgen im Wesentlichen aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (vgl. BVerfGE 141, 220 ).

    Die zu prüfenden Befugnisnormen ermächtigen die Ordnungs- und Polizeibehörden des Landes Mecklenburg-Vorpommern zu heimlichen Überwachungsmaßnahmen unterschiedlicher Art. Mit diesen Maßnahmen sind Grundrechtseingriffe verbunden.Die Grundrechtseingriffe wiegen größtenteils schwer, denn die Maßnahmen werden grundsätzlich ohne Kenntnis der Betroffenen heimlich durchgeführt und können dabei tief in die Privatsphäre eingreifen (vgl. BVerfGE 141, 220 ; vgl. entsprechend auch EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016, Tele2 Sverige, C-203/15 u.a., EU:C:2016:970, Rn. 100).Ihre Verfassungsmäßigkeit richtet sich nach den sich aus dem jeweils betroffenen Grundrecht ergebenden Verhältnismäßigkeitsanforderungen (vgl. dazu im Einzelnen BVerfGE 141, 220 ) und den hier strengen Anforderungen der Normenklarheit und Bestimmtheit (vgl. dazu BVerfGE 141, 220 ; 156, 11 - Antiterrordateigesetz II).

    Nicht durchgehend zu vereinbaren sind die Regelungen aber mit den besonderen Anforderungen, die sich aus dem Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne an die Rechtfertigung heimlicher Überwachungsmaßnahmen der Polizei ergeben (vgl. dazu BVerfGE 141, 220 ).

    a)§ 33 Abs. 2 Satz 1 und 3 SOG MV ermächtigt die Gefahrenabwehrbehörden zu Maßnahmen, die jedenfalls in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG eingreifen (vgl. auch BVerfGE 141, 220 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 338, 349, 357).

    Insbesondere wenn die in § 33 Abs. 1 SOG MV zugelassenen Maßnahmen gebündelt durchgeführt werden und dabei darauf zielen, möglichst alle Äußerungen und Bewegungen zu erfassen und bildlich wie akustisch festzuhalten, können sie tief in die Privatsphäre eindringen und ein besonders schweres Eingriffsgewicht erlangen (vgl. BVerfGE 141, 220 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 357).

    Der Einsatz von Vertrauenspersonen und verdeckt Ermittelnden kann auch im Hinblick auf das durch diese ausgenutzte Vertrauen sehr schwerwiegend sein (vgl. BVerfGE 141, 220 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 340 f., 351).

    b) Die diesem Eingriffsgewicht entsprechenden Anforderungen des Gebots der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne richten sich sowohl an das mit der Datenerhebung zu schützende Rechtsgut als auch an die sogenannte Eingriffsschwelle, also den Anlass der Überwachung (vgl. auch BVerfGE 141, 220 <269 Rn. 104, 270 f. Rn. 106 ff., 271 ff. Rn. 109 ff.>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 174).

    Ob die angegriffene Regelung durchgehend dem Schutz hinreichend gewichtiger Rechtsgüter dient, die bei tief in das Privatleben hineinreichenden heimlichen Überwachungsmaßnahmen von besonderem Gewicht sein müssen (vgl. BVerfGE 141, 220 ), wird hier mangels zulässiger Beanstandung nicht geprüft.

    aa) Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne setzt voraus, dass die Eingriffsmaßnahmen der Abwehr einer Gefährdung dienen, die im Einzelfall hinreichend konkret absehbar ist, und der Adressat der Maßnahmen aus Sicht eines verständigen Dritten den objektiven Umständen nach in sie verfangen ist (vgl. BVerfGE 141, 220 ).

    Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung verlangt hier, dass entweder eine konkrete Gefahr oder - wie auch bei den meisten anderen heimlichen Überwachungsmaßnahmen durch die Polizei - eine wenigstens konkretisierte Gefahr für ein hinreichend gewichtiges Rechtsgut besteht (vgl. dazu BVerfGE 141, 220 ).

    Eine hinreichend konkretisierte Gefahr in diesem Sinne kann danach schon bestehen, wenn sich der zum Schaden führende Kausalverlauf noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehen lässt, sofern bereits bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut hinweisen (BVerfGE 141, 220 m.w.N.).

    Dafür müssen grundsätzlich zwei Bedingungen erfüllt sein: Die Tatsachen müssen dafür zum einen den Schluss auf ein wenigstens seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen zulassen, zum anderen darauf, dass bestimmte Personen beteiligt sein werden, über deren Identität zumindest so viel bekannt ist, dass die Überwachungsmaßnahme gezielt gegen sie eingesetzt und weitgehend auf sie beschränkt werden kann (BVerfGE 141, 220 m.w.N.).

    Speziell in Bezug auf terroristische Straftaten, die oft durch lang geplante Taten von bisher nicht straffällig gewordenen Einzelnen an nicht vorhersehbaren Orten und in ganz verschiedener Weise verübt werden, können die Anforderungen an die Erkennbarkeit des Geschehens weiter abgesenkt werden, wenn dafür bereits genauere Erkenntnisse über die beteiligten Personen bestehen: Hier gilt, dass Überwachungsmaßnahmen auch dann erlaubt werden können, wenn zwar noch nicht ein seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen erkennbar ist, dafür aber das individuelle Verhalten einer Person bereits die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie solche Straftaten in überschaubarer Zukunft begehen wird (vgl. BVerfGE 141, 220 m.w.N.).

    Solche Offenheit genügt für die Durchführung von eingriffsintensiven heimlichen Überwachungsmaßnahmen nicht (vgl. BVerfGE 141, 220 m.w.N.).

    Gerade auf eine Gefahr für das Rechtsgut kommt es aber an (vgl. BVerfGE 100, 313 ; 125, 260 ; 141, 220 ; 154, 152 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 376).Zwar ist dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verwehrt, zur Bestimmung der Eingriffsvoraussetzungen auch an die Gefahr der Begehung von Vorfeldstraftatbeständen in dem hier gemeinten Sinn (dazu Rn. 50) anzuknüpfen.

    Dies bleibt hinter den Anforderungen an eine konkretisierte Gefahr und erst recht hinter denen an eine konkrete Gefahr zurück (vgl. bereits BVerfGE 141, 220 ).

    Damit gibt sie den Behörden und Gerichten keine hinreichend bestimmten Kriterien an die Hand und eröffnet Maßnahmen, die unverhältnismäßig weit sein können (vgl. auch BVerfGE 141, 220 ).

    aa) Die gesetzliche Ermächtigung zu einer heimlichen Überwachungsmaßnahme muss hinreichend normenklar sein (vgl. BVerfGE 113, 348 ; 120, 378 ; 141, 220 ; 150, 244 ; 154, 152 ; 156, 11 ; vgl. dazu auch EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2020, La Quadrature du Net u. a., C-511/18 u.a., EU:C:2020:791, Rn. 168; Urteil vom 5. April 2022, Commissioner of An Garda Síochána, C-140/20, EU:C:2022:258, Rn. 67; Urteil vom 20. September 2022, SpaceNet, C-793/19 u.a., EU:C:2022:702, Rn. 69, 75, 131; EGMR (GK), S. and Marper v. The United Kingdom, Urteil vom 4. Dezember 2008, Nr. 30562/04 u.a., § 99).

    Neben den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die allgemeinen Eingriffsvoraussetzungen ergeben sich aus den jeweiligen Grundrechten in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG für die Durchführung von besonders eingriffsintensiven heimlichen Überwachungsmaßnahmen besondere Anforderungen an den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung (vgl. BVerfGE 141, 220 ; stRspr).Derhier allein zu überprüfende § 26a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SOG MV enthält zwar eine besondere Regelung für den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung beim Einsatz von verdeckt Ermittelnden (§ 33 Abs. 1 Nr. 4 SOG MV) und Vertrauenspersonen (§ 33 Abs. 1 Nr. 3 SOG MV).

    Selbst überragende Interessen der Allgemeinheit können einen Eingriff in diesen absolut geschützten Bereich privater Lebensgestaltung nicht rechtfertigen (vgl. BVerfGE 141, 220 m.w.N.; stRspr).

    Solche Gespräche verlieren dabei nicht schon dadurch ihren Charakter als insgesamt höchstpersönlich, dass sich in ihnen Höchstpersönliches und Alltägliches vermischen (BVerfGE 141, 220 m.w.N.).

    Die private Lebensgestaltung kann sich, insbesondere in ihren kommunikativen Bezügen, auch außerhalb von Wohnungen vollziehen (vgl. BVerfGE 141, 220 ).

    Nutzt der Staat persönliches Vertrauen aus, um Geheimhaltungsinteressen zu überwinden, kann das sehr schwer wiegen (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 340 f. m.w.N.; vgl. auch BVerfGE 141, 220 ; 156, 270 - Amri-Untersuchungsausschuss [Benennung von V-Personen-Führer]).

    (a) Auf der Ebene der Datenerhebung ist zunächst absolut ausgeschlossen, dass Vertrauenspersonen und verdeckt Ermittelnde gezielt Informationen aus dem Kernbereich abschöpfen (vgl. BVerfGE 141, 220 ).

    (b) Auf der Erhebungsebene ist ein Eindringen in den Kernbereich darüber hinaus zu vermeiden, soweit dies mit praktisch zu bewältigendem Aufwand möglich ist (vgl. BVerfGE 141, 220 m.w.N.; stRspr).

    Angesichts der Handlungs- und Prognoseunsicherheiten, unter denen Sicherheitsbehörden ihre Aufgaben wahrnehmen, kann ein unbeabsichtigtes Eindringen in den Kernbereich privater Lebensgestaltung im Rahmen von Überwachungsmaßnahmen nicht für jeden Fall von vornherein ausgeschlossen werden (BVerfGE 141, 220 m.w.N.).

    (c) Nichtsdestotrotz ist aber schon auf der Ebene der Datenerhebung der Abbruch der Maßnahme vorzusehen, wenn erkennbar wird, dass eine Überwachung in den Kernbereich privater Lebensgestaltung eindringt (Abbruchgebot; vgl. BVerfGE 141, 220 m.w.N.).

    Verfassungsrechtlich anzuerkennen ist aber auch das ermittlungstechnische Bedürfnis, den weiteren Einsatz von Vertrauenspersonen und verdeckt Ermittelnden zu sichern (vgl. dazu auch BVerfGE 141, 220 ; 146, 1 ; 156, 270 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 135).

    Es reicht nicht schon jede bloß abstrakte Möglichkeit einer Beeinträchtigung der weiteren Verwendung der betreffenden Vertrauenspersonen und verdeckt Ermittelnden aus, um vom Abbruch abzusehen, sondern die Notwendigkeit eines solchen Schutzes für die weitere Verwendung der betreffenden Person muss konkret darlegbar sein (vgl. entsprechend zum Absehen von Benachrichtigung BVerfGE 141, 220 ).

    Dabei kann auf die Sichtung durch eine unabhängige Stelle umso eher verzichtet werden, je verlässlicher schon auf der ersten Stufe die Erfassung kernbereichsrelevanter Sachverhalte vermieden wird und umgekehrt (BVerfGE 141, 220 ).

    Dies ist in einer Weise zu dokumentieren, die eine spätere Kontrolle ermöglicht (vgl. BVerfGE 141, 220 ).

    Diese Überwachungsbefugnis greift in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG ein (vgl. BVerfGE 109, 279 ; 141, 220 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 293).

    Die Wohnraumüberwachung reicht besonders tief in die Privatsphäre hinein, denn sie erlaubt dem Staat, auch in Räume einzudringen, die privater Rückzugsort der Einzelnen sind und einen engen Bezug zur Menschenwürde haben (vgl. BVerfGE 109, 279 ; 141, 220 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 294).

    Das Kriterium der Dringlichkeit bezieht sich auf das Ausmaß und die Wahrscheinlichkeit des Schadens (vgl. BVerfGE 141, 220 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 297).

    Die Anforderungen an eine dringende Gefahr im Sinne von Art. 13 Abs. 4 GG sind aber strenger (vgl. BVerfGE 141, 220 ).

    Sie stellt hier hinsichtlich des bedrohten Rechtsguts erhöhte Anforderungen (vgl. Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 13 Rn. 116; Kluckert, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 53. Edition, Stand: 15. November 2022, Art. 13 Rn. 28; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 17. Aufl. 2022, Art. 13 Rn. 37 m.w.N.), und geht hinsichtlich des Eingriffsanlasses über die Anforderungen an eine konkrete Gefahr noch hinaus (vgl. BVerfGE 141, 220 zu Art. 13 Abs. 4 GG).

    Insoweit genügt für die heimliche Wohnungsbetretung zur Infiltration eines IT-Systems wie bei anderen heimlichen Datenerhebungen, die tief in die Privatsphäre eindringen, als Eingriffsschwelle, dass eine konkretisierte Gefahr im verfassungsrechtlichen Sinne besteht (vgl. dazu BVerfGE 141, 220 ).

    Bewirkt eine heimliche Ermittlungsmaßnahme einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff, so ist eine vorbeugende Kontrolle durch eine unabhängige Instanz verfassungsrechtlich geboten, weil die Betroffenen sonst ungeschützt blieben (vgl. BVerfGE 120, 274 ; 141, 220 ; 155, 119 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 217; vgl. auch EGMR, Klass u.a. v. Deutschland, Urteil vom 6. September 1978, Nr. 5029/71, § 56; EGMR , Zakharov v. Russland, Urteil vom 4. Dezember 2015, Nr. 47143/06, §§ 258, 275; EGMR, Szabó und Vissy v. Ungarn, Urteil vom 12. Januar 2016, Nr. 37138/14, § 77; EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016, Tele2 Sverige, C-203/15 u.a., EU:C:2016:970, Rn. 99, 120, 125).

    aa) Heimliche Überwachungsmaßnahmen mit hoher Eingriffsintensität sind nur zulässig, wenn sie der Abwehr einer wenigstens konkretisierten Gefahr dienen (vgl. BVerfGE 141, 220 ).

    Weniger gewichtige heimliche Eingriffe können daher beim Vorliegen einer konkretisierten Gefahr bereits dann zu rechtfertigen sein, wenn sie dem Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht dienen, wie dies etwa bei der Verhütung von Straftaten von zumindest erheblicher Bedeutung (vgl. dazu BVerfGE 141, 220 m.w.N.) der Fall ist.

    Hochrangige, überragend wichtige oder auch besonders gewichtige Rechtsgüter (vgl. BVerfGE 115, 320 ; 120, 274 ; 141, 220 ) sind demgegenüber nur dann erforderlich, wenn die Eingriffsschwelle noch weiter hinter einer konkretisierten Gefahr zurückbleiben sollte oder es sich etwa um tief in die Privatsphäre eingreifende Befugnisse handelte (vgl. BVerfGE 155, 119 ).

    Während also bei eingriffsintensiven Maßnahmen eine konkretisierte Gefahr und der Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter zusammenkommen müssen (vgl. BVerfGE 141, 220 ), genügt es bei weniger eingriffsintensiven Maßnahmen, das Vorliegen einer konkretisierten Gefahr oder der Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter vorauszusetzen (vgl. BVerfGE 155, 119 ).

    Als besonders schwere Straftaten wurden solche angesehen, die mit einer Höchststrafe von mehr als fünf Jahren bedroht sind (vgl. BVerfGE 109, 279 ; 141, 220 ).

    a) Die Rasterfahndung greift in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung derjenigen ein, auf welche sich die übermittelten Daten beziehen (vgl. BVerfGE 115, 320 ; 141, 220 ).

    Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seiner ersten Entscheidung zur Rasterfahndung vom 4. April 2006 festgestellt, dass die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer präventiven Rasterfahndung voraussetzt, dass eine konkrete Gefahr für hochrangige Rechtsgüter besteht (vgl. BVerfGE 115, 320 ) und hat dies in seiner Entscheidung zum Bundeskriminalamtgesetz bestätigt (vgl. BVerfGE 141, 220 ).

    Eine konkrete Gefahr in diesem verfassungsrechtlichen Sinne ist eine Sachlage , die bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens im Einzelfall in absehbarer Zeit mit einer gemessen am Gewicht einer drohenden Rechtsgutsverletzung hinreichenden Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung des Rechtsguts führt (vgl. BVerfGE 115, 320 ; 141, 220 ).

    Die Tatsachen müssen dafür zum einen den Schluss auf ein wenigstens seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen zulassen, zum anderen darauf, dass bestimmte Personen beteiligt sein werden, über deren Identität zumindest so viel bekannt ist, dass die Überwachungsmaßnahme gezielt gegen sie eingesetzt und weitgehend auf sie beschränkt werden kann (BVerfGE 141, 220 ; zu letzterem schon BVerfGE 120, 274 ).

    Macht der Gesetzgeber heimliche Überwachungseingriffe davon abhängig, dass eine konkretisierte Gefahr für ein bestimmtes Rechtsgut besteht, wird die erforderliche Nähebeziehung der Betroffenen zur künftigen Rechtsgutsverletzung, wie gesehen, dadurch hergestellt, dass Tatsachen den Schluss darauf rechtfertigen müssen, "dass bestimmte Personen beteiligt sein werden, über deren Identität zumindest so viel bekannt ist, dass die Überwachungsmaßnahme gezielt gegen sie eingesetzt und weitgehend auf sie beschränkt werden kann" (BVerfGE 141, 220 ).

    Daher setzt die Rasterfahndung weiterhin eine konkrete Gefahr voraus (vgl. BVerfGE 141, 220 ) und stellt damit höhere Anforderungen an die Vorhersehbarkeit des objektiv zu erwartenden konkreten Geschehensverlaufs, ohne aber wie die konkretisierte Gefahr bereits einen spezifischen Personenbezug zu verlangen.

    Für die Übergangszeit kann das Bundesverfassungsgericht vorläufige Anordnungen treffen, um die Befugnisse der Behörden bis zur Herstellung eines verfassungsmäßigen Zustandes durch den Gesetzgeber auf das zu reduzieren, was nach Maßgabe dieser Abwägung geboten ist (BVerfGE 141, 220 m.w.N.; stRspr).

    Angesichts der Bedeutung, die der Gesetzgeber den Befugnissen für die staatliche Aufgabenwahrnehmung beimessen darf, ist unter diesen Umständen deren vorübergehende Fortgeltung eher hinzunehmen als deren Nichtigkeitserklärung (vgl. BVerfGE 141, 220 ; 155, 119 ).

  • BVerfG, 26.04.2022 - 1 BvR 1619/17

    Bayerisches Verfassungsschutzgesetz teilweise verfassungswidrig

    Auszug aus BVerfG, 09.12.2022 - 1 BvR 1345/21
    Richtet sich eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz, das Sicherheitsbehörden zu heimlichen Überwachungsmaßnahmen ermächtigt, bestehen besondere Zulässigkeitsanforderungen bezüglich der Beschwerdebefugnis und der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde(dazu zuletzt BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 93 ff. - Bayerisches Verfassungsschutzgesetz).

    Dies ist erforderlich, wenn sonst nicht ohne Weiteres erkennbar ist, ob bei der Nutzung überhaupt Daten anfallen, die in den Fokus sicherheitsrechtlicher Behördenaktivitäten geraten könnten (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 98).

    Dabei ist allerdings die Anrufung der Fachgerichte nicht schon dann als von vornherein aussichtslos anzusehen, wenn Rechtsprechung zugunsten der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs für die gegebene Fallgestaltung noch nicht vorliegt (vgl. zum Ganzen BVerfGE 143, 246 ; 145, 20 ; 150, 309 ; 158, 170 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 100 ff.; stRspr).

    Der sehr kurze Vortrag genügt vor dem Hintergrund der differenzierten verfassungsrechtlichen Anforderungen an das durch eine polizeiliche Überwachungsmaßnahme zu schützende Rechtsgut (vgl. BVerfGE 141, 220 ; 155, 119 ), insbesondere wenn das Rechtsgut wie hier durch Verweisung auf Straftatbestände benannt wird (vgl. dazu BVerfGE 125, 260 ; 141, 220 ; 154, 152 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 244), nicht.

    Nach dem Subsidiaritätsgrundsatz kann es außerdem erforderlich sein, insoweit zunächst fachgerichtlichen Rechtsschutz zu suchen (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 132).

    a)§ 33 Abs. 2 Satz 1 und 3 SOG MV ermächtigt die Gefahrenabwehrbehörden zu Maßnahmen, die jedenfalls in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG eingreifen (vgl. auch BVerfGE 141, 220 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 338, 349, 357).

    Insbesondere wenn die in § 33 Abs. 1 SOG MV zugelassenen Maßnahmen gebündelt durchgeführt werden und dabei darauf zielen, möglichst alle Äußerungen und Bewegungen zu erfassen und bildlich wie akustisch festzuhalten, können sie tief in die Privatsphäre eindringen und ein besonders schweres Eingriffsgewicht erlangen (vgl. BVerfGE 141, 220 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 357).

    Der Einsatz von Vertrauenspersonen und verdeckt Ermittelnden kann auch im Hinblick auf das durch diese ausgenutzte Vertrauen sehr schwerwiegend sein (vgl. BVerfGE 141, 220 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 340 f., 351).

    b) Die diesem Eingriffsgewicht entsprechenden Anforderungen des Gebots der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne richten sich sowohl an das mit der Datenerhebung zu schützende Rechtsgut als auch an die sogenannte Eingriffsschwelle, also den Anlass der Überwachung (vgl. auch BVerfGE 141, 220 <269 Rn. 104, 270 f. Rn. 106 ff., 271 ff. Rn. 109 ff.>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 174).

    Gerade auf eine Gefahr für das Rechtsgut kommt es aber an (vgl. BVerfGE 100, 313 ; 125, 260 ; 141, 220 ; 154, 152 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 376).Zwar ist dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verwehrt, zur Bestimmung der Eingriffsvoraussetzungen auch an die Gefahr der Begehung von Vorfeldstraftatbeständen in dem hier gemeinten Sinn (dazu Rn. 50) anzuknüpfen.

    Unübersichtliche Verweisungskaskaden sind mit dem Grundgesetz nicht vereinbar (vgl. BVerfGE 154, 152 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 272).

    (a) Erlangen verdeckt ermittelnde Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Staates bei ihrem Einsatz personenbezogene Daten, kann das in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) eingreifen, wenn in einer Kommunikationsbeziehung zu einem Grundrechtsträger ein schutzwürdiges Vertrauen in die Identität und die Motivation seines Kommunikationspartners ausgenutzt wird, um persönliche Daten zu erheben, die der Staat ansonsten nicht erhalten würde (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 338 m.w.N.; s. auch BVerfGE 120, 274 m.w.N.).

    Nutzt der Staat persönliches Vertrauen aus, um Geheimhaltungsinteressen zu überwinden, kann das sehr schwer wiegen (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 340 f. m.w.N.; vgl. auch BVerfGE 141, 220 ; 156, 270 - Amri-Untersuchungsausschuss [Benennung von V-Personen-Führer]).

    Auch beim Einsatz von Vertrauenspersonen liegt ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung darin, dass die Vertrauensperson die vermeintliche Vertrauensbeziehung ausnutzt, um von einer anderen Person Informationen zu erlangen, die sie ansonsten nicht erhalten würde (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 350).

    Hier kann eine ursprünglich tatsächlich bestehende Vertrauensbeziehung durch staatliche Intervention einseitig heimlich gebrochen und in ein von Überwachung geprägtes Verhältnis verwandelt werden (BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 351).

    Außerhalb solch verletzungsgeneigter Befugnisse ist eine ausdrückliche Regelung nicht erforderlich (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 277 f. m.w.N.; stRspr).

    Sie nutzen das Vertrauen in ihre Person oder in ihre Identität, ihre Motivation und die vermeintliche Vertrauensbeziehung aus, um von einer anderen Person im unmittelbaren Kommunikationsvorgang Informationen zu erlangen, die sie ansonsten nicht erhalten würden (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 338 m.w.N.).

    Verfassungsrechtlich anzuerkennen ist aber auch das ermittlungstechnische Bedürfnis, den weiteren Einsatz von Vertrauenspersonen und verdeckt Ermittelnden zu sichern (vgl. dazu auch BVerfGE 141, 220 ; 146, 1 ; 156, 270 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 135).

    Diese Überwachungsbefugnis greift in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG ein (vgl. BVerfGE 109, 279 ; 141, 220 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 293).

    Die Wohnraumüberwachung reicht besonders tief in die Privatsphäre hinein, denn sie erlaubt dem Staat, auch in Räume einzudringen, die privater Rückzugsort der Einzelnen sind und einen engen Bezug zur Menschenwürde haben (vgl. BVerfGE 109, 279 ; 141, 220 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 294).

    Das Kriterium der Dringlichkeit bezieht sich auf das Ausmaß und die Wahrscheinlichkeit des Schadens (vgl. BVerfGE 141, 220 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 297).

    Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines Eingriffs in informationstechnische Systeme, um aus ihnen Daten zu erheben, setzt eine konkretisierte Gefahr einer Rechtsgutsverletzung voraus (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 176 m.w.N.; stRspr).Soweit § 33c Abs. 1 Satz 2 SOG MV in Verbindung mit § 67a Abs. 1 und § 67c Halbsatz 1 Nr. 1 SOG MV die konkretisierte Gefahr der Begehung einer Vorfeldtat (dazu Rn. 50) für die Durchführung einer Online-Durchsuchung genügen lässt, ist dies keine verfassungsrechtlich ausreichende Eingriffsschwelle, weil damit nicht sichergestellt ist, dass wenigstens eine konkretisierte oder eine konkrete Gefahr für das durch den Straftatbestand geschützte Rechtsgut vorliegt (näher oben Rn. 95).

    Bewirkt eine heimliche Ermittlungsmaßnahme einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff, so ist eine vorbeugende Kontrolle durch eine unabhängige Instanz verfassungsrechtlich geboten, weil die Betroffenen sonst ungeschützt blieben (vgl. BVerfGE 120, 274 ; 141, 220 ; 155, 119 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 217; vgl. auch EGMR, Klass u.a. v. Deutschland, Urteil vom 6. September 1978, Nr. 5029/71, § 56; EGMR , Zakharov v. Russland, Urteil vom 4. Dezember 2015, Nr. 47143/06, §§ 258, 275; EGMR, Szabó und Vissy v. Ungarn, Urteil vom 12. Januar 2016, Nr. 37138/14, § 77; EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016, Tele2 Sverige, C-203/15 u.a., EU:C:2016:970, Rn. 99, 120, 125).

    Dem verfassungsrechtlichen Erfordernis eines besonders gewichtigen Rechtsguts entspricht eine Begrenzung auf besonders schwere Straftaten (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 244 m.w.N.; Beschluss des Ersten Senats vom 28. September 2022 - 1 BvR 2354/13 -, Rn. 131 m.w.N.; stRspr).

  • BVerfG, 27.02.2008 - 1 BvR 370/07

    Grundrecht auf Computerschutz

    Auszug aus BVerfG, 09.12.2022 - 1 BvR 1345/21
    (a) Erlangen verdeckt ermittelnde Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Staates bei ihrem Einsatz personenbezogene Daten, kann das in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) eingreifen, wenn in einer Kommunikationsbeziehung zu einem Grundrechtsträger ein schutzwürdiges Vertrauen in die Identität und die Motivation seines Kommunikationspartners ausgenutzt wird, um persönliche Daten zu erheben, die der Staat ansonsten nicht erhalten würde (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 338 m.w.N.; s. auch BVerfGE 120, 274 m.w.N.).

    Erforderlich sind darum weitere Sicherungen auf der Aus- und Verwertungsebene (vgl. BVerfGE 120, 274 ; unten Rn. 117 ff.).

    Erforderlich sind in jedem Fall weitere Sicherungen (vgl. BVerfGE 120, 274 ).

    a) Die Ermächtigung in § 33c Abs. 1 Satz 2 SOG MV zur Online-Durchsuchung ermöglicht einen Eingriff in das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (grundlegend BVerfGE 120, 274 ).

    Die in § 33c Abs. 5 Alternative 2 SOG MV geregelte Befugnis der Polizei, die Wohnung zu betreten, greift in das durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht ein, auch wenn die Maßnahme dazu dient, ein dort befindliches informationstechnisches System physisch zu manipulieren, um so eine Online-Durchsuchung vorzubereiten (vgl. BVerfGE 120, 274 ; so bereits BVerfGE 109, 279 , zur Vorbereitung der Wohnraumüberwachung).

    Generell spricht die Heimlichkeit einer Maßnahme gerade für deren Eingriffsintensität (vgl. BVerfGE 118, 168 ; 120, 274 ).

    Der Ausschluss dieser Einflusschance verstärkt das Gewicht des Grundrechtseingriffs (BVerfGE 120, 274 ).

    Bewirkt eine heimliche Ermittlungsmaßnahme einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff, so ist eine vorbeugende Kontrolle durch eine unabhängige Instanz verfassungsrechtlich geboten, weil die Betroffenen sonst ungeschützt blieben (vgl. BVerfGE 120, 274 ; 141, 220 ; 155, 119 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 217; vgl. auch EGMR, Klass u.a. v. Deutschland, Urteil vom 6. September 1978, Nr. 5029/71, § 56; EGMR , Zakharov v. Russland, Urteil vom 4. Dezember 2015, Nr. 47143/06, §§ 258, 275; EGMR, Szabó und Vissy v. Ungarn, Urteil vom 12. Januar 2016, Nr. 37138/14, § 77; EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016, Tele2 Sverige, C-203/15 u.a., EU:C:2016:970, Rn. 99, 120, 125).

    Von dem Erfordernis einer vorherigen Kontrolle der Maßnahme durch eine dafür geeignete neutrale Stelle darf eine Ausnahme für Eilfälle, etwa bei Gefahr im Verzug, vorgesehen werden, wenn für eine anschließende Überprüfung durch die neutrale Stelle gesorgt ist (BVerfGE 120, 274 ).

    Dass eine richterliche Anordnung in Art. 13 Abs. 7 GG nicht ausdrücklich gefordert ist, steht einem solchen Vorbehalt für besondere Konstellationen nicht entgegen, weil er auch ohne ausdrückliche Regelung gelten kann (vgl. auch BVerfGE 120, 274 ).

    Hochrangige, überragend wichtige oder auch besonders gewichtige Rechtsgüter (vgl. BVerfGE 115, 320 ; 120, 274 ; 141, 220 ) sind demgegenüber nur dann erforderlich, wenn die Eingriffsschwelle noch weiter hinter einer konkretisierten Gefahr zurückbleiben sollte oder es sich etwa um tief in die Privatsphäre eingreifende Befugnisse handelte (vgl. BVerfGE 155, 119 ).

    Die Tatsachen müssen dafür zum einen den Schluss auf ein wenigstens seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen zulassen, zum anderen darauf, dass bestimmte Personen beteiligt sein werden, über deren Identität zumindest so viel bekannt ist, dass die Überwachungsmaßnahme gezielt gegen sie eingesetzt und weitgehend auf sie beschränkt werden kann (BVerfGE 141, 220 ; zu letzterem schon BVerfGE 120, 274 ).

  • BVerfG, 04.04.2006 - 1 BvR 518/02

    Rasterfahndung II

    Auszug aus BVerfG, 09.12.2022 - 1 BvR 1345/21
    Hochrangige, überragend wichtige oder auch besonders gewichtige Rechtsgüter (vgl. BVerfGE 115, 320 ; 120, 274 ; 141, 220 ) sind demgegenüber nur dann erforderlich, wenn die Eingriffsschwelle noch weiter hinter einer konkretisierten Gefahr zurückbleiben sollte oder es sich etwa um tief in die Privatsphäre eingreifende Befugnisse handelte (vgl. BVerfGE 155, 119 ).

    a) Die Rasterfahndung greift in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung derjenigen ein, auf welche sich die übermittelten Daten beziehen (vgl. BVerfGE 115, 320 ; 141, 220 ).

    Dabei liegen jeweils eigenständige Eingriffe in der Übermittlungsanordnung, in der Speicherung der übermittelten Daten sowie in der Durchführung des Datenabgleichs (vgl. BVerfGE 115, 320 ).

    Den mit der Rasterfahndung verbundenen Grundrechtseingriffen kommt erhebliches Gewicht zu (vgl. BVerfGE 115, 320 ).

    Vor allem aber wird eine hohe Eingriffsintensität dadurch erzeugt, dass die Rasterfahndung verdachtslos mit großer Streubreite in Grundrechte eingreift (vgl. ausführlich BVerfGE 115, 320 ).

    Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seiner ersten Entscheidung zur Rasterfahndung vom 4. April 2006 festgestellt, dass die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer präventiven Rasterfahndung voraussetzt, dass eine konkrete Gefahr für hochrangige Rechtsgüter besteht (vgl. BVerfGE 115, 320 ) und hat dies in seiner Entscheidung zum Bundeskriminalamtgesetz bestätigt (vgl. BVerfGE 141, 220 ).

    Eine konkrete Gefahr in diesem verfassungsrechtlichen Sinne ist eine Sachlage , die bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens im Einzelfall in absehbarer Zeit mit einer gemessen am Gewicht einer drohenden Rechtsgutsverletzung hinreichenden Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung des Rechtsguts führt (vgl. BVerfGE 115, 320 ; 141, 220 ).

    Für die Feststellung einer solchen Dauergefahr gelten jedoch ebenfalls die mit dem Erfordernis einer konkreten Gefahr verbundenen Anforderungen an die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sowie an die konkrete Tatsachenbasis der Wahrscheinlichkeitsprognose (BVerfGE 115, 320 ).

    Der Grund für die davon abweichenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Rasterfahndung liegt darin, dass diese im Unterschied zu anderen Maßnahmen keinen Bezug der betroffenen Personen zur abzuwehrenden Bedrohung aufweisen kann, weil die Rasterfahndung überhaupt erst der Herstellung eines solchen Bezuges dient (vgl. BVerfGE 115, 320 ).

    Die Rasterfahndung ist gegenüber einzelnen Betroffenen anlasslos (vgl. BVerfGE 115, 320 ).

    Denn eine Tatsachenkette zu einem in irgendeiner Hinsicht konkretisierten personenbezogenen Verdacht besteht bei ihr nicht (BVerfGE 115, 320 ).

    Das rechtsstaatliche Defizit, das mit dem für die Rasterfahndung typischen Verzicht auf eine Nähebeziehung zwischen dem gefährdeten Rechtsgut und den von dem Grundrechtseingriff Betroffenen verbunden ist, muss auf andere Weise kompensiert werden, um die Uferlosigkeit der Ermächtigung auszuschließen (BVerfGE 115, 320 ); der Verlust an personeller Eingrenzbarkeit muss durch höhere Anforderungen an die Vorhersehbarkeit des Geschehens ausgeglichen werden.

  • BVerfG, 27.05.2020 - 1 BvR 1873/13

    Regelungen zur Bestandsdatenauskunft verfassungswidrig

    Auszug aus BVerfG, 09.12.2022 - 1 BvR 1345/21
    Rechtsvorschriften der Europäischen Union enthalten keine Bestimmungen, welche die hier angegriffenen Ermittlungsbefugnisse von Polizeibehörden erforderten oder gar abschließend regelten (vgl. dazu BVerfGE 155, 119 m.w.N.; 156, 11 ; 158, 170 m.w.N.; stRspr).

    Unberührt bleibt hiervon die Frage, ob sich weitere rechtliche Anforderungen unmittelbar aus dem Sekundärrecht der Europäischen Union ergeben und ob die beanstandeten Vorschriften mit diesen vereinbar sind (vgl. BVerfGE 155, 119 m.w.N.).

    (1) Von einer unmittelbaren Betroffenheit durch ein vollziehungsbedürftiges Gesetz ist, obwohl dieses erst der Umsetzung durch Vollzugsakte bedarf, im Falle heimlicher Überwachungsmaßnahmen dennoch auszugehen, wenn Beschwerdeführende den Rechtsweg nicht beschreiten können, weil sie keine Kenntnis von der Maßnahme erlangen oder wenn eine nachträgliche Bekanntgabe zwar vorgesehen ist, von ihr aber aufgrund weitreichender Ausnahmetatbestände auch langfristig abgesehen werden kann (vgl. BVerfGE 155, 119 - Bestandsdatenauskunft II).

    (2) Zur Begründung der Möglichkeit eigener und gegenwärtiger Betroffenheit durch eine gesetzliche Ermächtigung zu heimlichen Überwachungsmaßnahmen, bei der die konkrete Beeinträchtigung zwar erst durch eine Vollziehung erfolgt, die Betroffenen in der Regel aber keine Kenntnis von Vollzugsakten erlangen, reicht es aus, wenn die Beschwerdeführenden darlegen, mit einiger Wahrscheinlichkeit, durch auf den angegriffenen Rechtsnormen beruhende Maßnahmen in eigenen Grundrechten berührt zu werden (vgl. BVerfGE 155, 119 ).

    Der sehr kurze Vortrag genügt vor dem Hintergrund der differenzierten verfassungsrechtlichen Anforderungen an das durch eine polizeiliche Überwachungsmaßnahme zu schützende Rechtsgut (vgl. BVerfGE 141, 220 ; 155, 119 ), insbesondere wenn das Rechtsgut wie hier durch Verweisung auf Straftatbestände benannt wird (vgl. dazu BVerfGE 125, 260 ; 141, 220 ; 154, 152 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 244), nicht.

    Sie bilden im Verfassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich keinen eigenen Verfahrensgegenstand, sondern sind im Rahmen der Überprüfung der Eingriffsermächtigung mittelbar Gegenstand verfassungsgerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerfGE 155, 119 ).

    Bewirkt eine heimliche Ermittlungsmaßnahme einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff, so ist eine vorbeugende Kontrolle durch eine unabhängige Instanz verfassungsrechtlich geboten, weil die Betroffenen sonst ungeschützt blieben (vgl. BVerfGE 120, 274 ; 141, 220 ; 155, 119 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 217; vgl. auch EGMR, Klass u.a. v. Deutschland, Urteil vom 6. September 1978, Nr. 5029/71, § 56; EGMR , Zakharov v. Russland, Urteil vom 4. Dezember 2015, Nr. 47143/06, §§ 258, 275; EGMR, Szabó und Vissy v. Ungarn, Urteil vom 12. Januar 2016, Nr. 37138/14, § 77; EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016, Tele2 Sverige, C-203/15 u.a., EU:C:2016:970, Rn. 99, 120, 125).

    Darüber hinaus umfasst die Gesetzgebungskompetenz für das gerichtliche Strafverfahren auch die Regelung der Vorsorge für die spätere Verfolgung von Straftaten, die sogenannte Strafverfolgungsvorsorge (vgl. BVerfGE 113, 348 ; 150, 244 ; 155, 119 ).

    Hochrangige, überragend wichtige oder auch besonders gewichtige Rechtsgüter (vgl. BVerfGE 115, 320 ; 120, 274 ; 141, 220 ) sind demgegenüber nur dann erforderlich, wenn die Eingriffsschwelle noch weiter hinter einer konkretisierten Gefahr zurückbleiben sollte oder es sich etwa um tief in die Privatsphäre eingreifende Befugnisse handelte (vgl. BVerfGE 155, 119 ).

    Während also bei eingriffsintensiven Maßnahmen eine konkretisierte Gefahr und der Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter zusammenkommen müssen (vgl. BVerfGE 141, 220 ), genügt es bei weniger eingriffsintensiven Maßnahmen, das Vorliegen einer konkretisierten Gefahr oder der Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter vorauszusetzen (vgl. BVerfGE 155, 119 ).

    Angesichts der Bedeutung, die der Gesetzgeber den Befugnissen für die staatliche Aufgabenwahrnehmung beimessen darf, ist unter diesen Umständen deren vorübergehende Fortgeltung eher hinzunehmen als deren Nichtigkeitserklärung (vgl. BVerfGE 141, 220 ; 155, 119 ).

  • BVerfG, 27.07.2005 - 1 BvR 668/04

    Vorbeugende Telekommunikationsüberwachung

    Auszug aus BVerfG, 09.12.2022 - 1 BvR 1345/21
    aa) Die gesetzliche Ermächtigung zu einer heimlichen Überwachungsmaßnahme muss hinreichend normenklar sein (vgl. BVerfGE 113, 348 ; 120, 378 ; 141, 220 ; 150, 244 ; 154, 152 ; 156, 11 ; vgl. dazu auch EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2020, La Quadrature du Net u. a., C-511/18 u.a., EU:C:2020:791, Rn. 168; Urteil vom 5. April 2022, Commissioner of An Garda Síochána, C-140/20, EU:C:2022:258, Rn. 67; Urteil vom 20. September 2022, SpaceNet, C-793/19 u.a., EU:C:2022:702, Rn. 69, 75, 131; EGMR (GK), S. and Marper v. The United Kingdom, Urteil vom 4. Dezember 2008, Nr. 30562/04 u.a., § 99).

    Darüber hinaus umfasst die Gesetzgebungskompetenz für das gerichtliche Strafverfahren auch die Regelung der Vorsorge für die spätere Verfolgung von Straftaten, die sogenannte Strafverfolgungsvorsorge (vgl. BVerfGE 113, 348 ; 150, 244 ; 155, 119 ).

    (1) Inwieweit bundesgesetzliche Regelungen erschöpfend sind, muss anhand der einschlägigen Bestimmungen und des jeweiligen Sachbereichs festgestellt werden (vgl. BVerfGE 109, 190 ; 113, 348 ).

    Es ist in erster Linie auf das Bundesgesetz selbst, sodann auf den hinter dem Gesetz stehenden Regelungszweck, ferner auf die Gesetzgebungsgeschichte und die Gesetzesmaterialien abzustellen (vgl. BVerfGE 98, 265 ; 113, 348 ).

    Der Bund macht von seiner Kompetenz nicht nur dann Gebrauch, wenn er eine Regelung getroffen hat, sondern kann auch durch absichtsvolles Unterlassen eine Sperrwirkung für die Länder erzeugen (vgl. BVerfGE 32, 319 ; 98, 265 ; 113, 348 ).

    Zu einem erkennbar gewordenen Willen des Bundesgesetzgebers, zusätzliche Regelungen auszuschließen, darf sich ein Landesgesetzgeber nicht in Widerspruch setzen, selbst wenn er das Bundesgesetz für unzureichend hält (vgl. BVerfGE 32, 319 ; 36, 193 ; 36, 314 ; 85, 134 ; 98, 265 ; 109, 190 ; 113, 348 ).

    Diese Eingrenzung würde hinfällig, wenn die Länder vergleichbare Maßnahmen mit dem selben Ziel der Sicherung späterer Strafverfolgung unter anderen, geringeren, Voraussetzungen normieren könnten (vgl. auch BVerfGE 113, 348 ).

  • BVerfG, 08.06.2021 - 1 BvR 2771/18

    Unzulässige Verfassungsbeschwerde zum Umgang der Polizeibehörden mit

    Auszug aus BVerfG, 09.12.2022 - 1 BvR 1345/21
    Rechtsvorschriften der Europäischen Union enthalten keine Bestimmungen, welche die hier angegriffenen Ermittlungsbefugnisse von Polizeibehörden erforderten oder gar abschließend regelten (vgl. dazu BVerfGE 155, 119 m.w.N.; 156, 11 ; 158, 170 m.w.N.; stRspr).

    Erforderlich ist vielmehr, den gesetzlichen Regelungszusammenhang insgesamt zu erfassen, wozu - je nach Fallgestaltung - zumindest gehört, dass die einschlägigen Regelungen des als unzureichend beanstandeten Normkomplexes jedenfalls in Grundzügen dargestellt werden und begründet wird, warum vom Versagen der gesetzgeberischen Konzeption auszugehen ist (BVerfGE 158, 170 - IT-Sicherheitslücken).

    Dabei ist allerdings die Anrufung der Fachgerichte nicht schon dann als von vornherein aussichtslos anzusehen, wenn Rechtsprechung zugunsten der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs für die gegebene Fallgestaltung noch nicht vorliegt (vgl. zum Ganzen BVerfGE 143, 246 ; 145, 20 ; 150, 309 ; 158, 170 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 100 ff.; stRspr).

    Die Verfassungsbeschwerde genügt nicht den insofern besonderen Darlegungsanforderungen (vgl. zur Schutzpflicht BVerfGE 158, 170 ; zu den Darlegungsanforderungen BVerfGE 158, 170 ).

    Sie hätten jedenfalls näher auf § 45b SOG MV eingehen müssen, wonach möglicherweise auch beim Offenhalten einer Sicherheitslücke eine Datenschutz-Folgenabschätzung vorzunehmen ist, und auf § 33c Abs. 3 Satz 2 SOG MV, wonach das eingesetzte Mittel gegen unbefugte Nutzung geschützt werden muss (vgl. zu beidem auch BVerfGE 158, 170 ).

    Insoweit ist die Verfassungsbeschwerde auch unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität unzulässig, weil fachrechtliche Auslegungsfragen zu klären sind (vgl. auch BVerfGE 158, 170 ).

    Ein Zugriff aus der Ferne über sogenannte IT-Sicherheitslücken wirft allerdings seinerseits erhebliche verfassungsrechtliche Probleme auf (dazu BVerfGE 158, 170 ff.).

  • BVerfG, 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98

    Großer Lauschangriff: Erheblicher Teil der StPO-Regeln zur akustischen

    Auszug aus BVerfG, 09.12.2022 - 1 BvR 1345/21
    Diese Überwachungsbefugnis greift in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG ein (vgl. BVerfGE 109, 279 ; 141, 220 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 293).

    Die Wohnraumüberwachung reicht besonders tief in die Privatsphäre hinein, denn sie erlaubt dem Staat, auch in Räume einzudringen, die privater Rückzugsort der Einzelnen sind und einen engen Bezug zur Menschenwürde haben (vgl. BVerfGE 109, 279 ; 141, 220 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 294).

    Die in § 33c Abs. 5 Alternative 2 SOG MV geregelte Befugnis der Polizei, die Wohnung zu betreten, greift in das durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht ein, auch wenn die Maßnahme dazu dient, ein dort befindliches informationstechnisches System physisch zu manipulieren, um so eine Online-Durchsuchung vorzubereiten (vgl. BVerfGE 120, 274 ; so bereits BVerfGE 109, 279 , zur Vorbereitung der Wohnraumüberwachung).

    Das ist regelmäßig die Privatwohnung, die für andere verschlossen werden kann (vgl. BVerfGE 109, 279 m.w.N.).

    Je leichter es dem Staat ist, heimlich in Wohnungen einzudringen, umso mehr verliert die Wohnung als "letztes Refugium" (BVerfGE 109, 279 ) ihren Schutzcharakter.

    Als besonders schwere Straftaten wurden solche angesehen, die mit einer Höchststrafe von mehr als fünf Jahren bedroht sind (vgl. BVerfGE 109, 279 ; 141, 220 ).

  • BVerfG, 28.09.2022 - 1 BvR 2354/13

    Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Übermittlung mit

    Auszug aus BVerfG, 09.12.2022 - 1 BvR 1345/21
    Knüpft der Gesetzgeber an die Begehung solcher Straftaten an, muss er also zusätzlich fordern, dass damit bereits eine konkretisierte oder konkrete Gefahr für das durch den Straftatbestand geschützte Rechtsgut vorliegt(vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 28. September 2022 - 1 BvR 2354/13 - Rn. 134 - Bundesverfassungsschutzgesetz - Übermittlungsbefugnisse).

    Ein Mangel an Normenklarheit ist auch damit verbunden, dass auf Rechtsgrundlagen verwiesen wird, deren maßgebender Inhalt nur mit Schwierigkeiten erfasst werden kann (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 28. September 2022 - 1 BvR 2354/13 -, Rn. 112).

    An Klarheit wird durch die Zusammenfassung in einer einzigen Norm nicht notwendig etwas gewonnen (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 28. September 2022 - 1 BvR 2354/13 -, Rn. 113).

    Vielmehr ist in einer wertenden Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung möglicher Regelungsalternativen zu entscheiden, ob eine Verweisung mit dem Gebot der Normenklarheit vereinbar ist (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 28. September 2022 - 1 BvR 2354/13 -, Rn. 115).

    Dem verfassungsrechtlichen Erfordernis eines besonders gewichtigen Rechtsguts entspricht eine Begrenzung auf besonders schwere Straftaten (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 244 m.w.N.; Beschluss des Ersten Senats vom 28. September 2022 - 1 BvR 2354/13 -, Rn. 131 m.w.N.; stRspr).

  • BVerfG, 18.12.2018 - 1 BvR 142/15

    Automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen nach dem Bayerischen

    Auszug aus BVerfG, 09.12.2022 - 1 BvR 1345/21
    aa) Die gesetzliche Ermächtigung zu einer heimlichen Überwachungsmaßnahme muss hinreichend normenklar sein (vgl. BVerfGE 113, 348 ; 120, 378 ; 141, 220 ; 150, 244 ; 154, 152 ; 156, 11 ; vgl. dazu auch EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2020, La Quadrature du Net u. a., C-511/18 u.a., EU:C:2020:791, Rn. 168; Urteil vom 5. April 2022, Commissioner of An Garda Síochána, C-140/20, EU:C:2022:258, Rn. 67; Urteil vom 20. September 2022, SpaceNet, C-793/19 u.a., EU:C:2022:702, Rn. 69, 75, 131; EGMR (GK), S. and Marper v. The United Kingdom, Urteil vom 4. Dezember 2008, Nr. 30562/04 u.a., § 99).

    Darüber hinaus umfasst die Gesetzgebungskompetenz für das gerichtliche Strafverfahren auch die Regelung der Vorsorge für die spätere Verfolgung von Straftaten, die sogenannte Strafverfolgungsvorsorge (vgl. BVerfGE 113, 348 ; 150, 244 ; 155, 119 ).

    Bei doppelfunktionalen Maßnahmen, bei denen sich ein eindeutiger Schwerpunkt weder im präventiven noch im repressiven Bereich ausmachen lässt, steht dem Gesetzgeber ein Entscheidungsspielraum für die Zuordnung zu und können entsprechende Befugnisse unter Umständen sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene geregelt werden (vgl. BVerfGE 150, 244 ).

    Genauso wie der Bund Maßnahmen zur Strafverfolgung regeln darf, die sich ihrer Wirkung nach zugleich förderlich für die Gefahrenabwehr auswirken, dürfen die Länder Regelungen zur Gefahrenabwehr treffen, die sich zugleich förderlich für die Strafverfolgung auswirken (BVerfGE 150, 244 ).

    Anders ist dies aber zu beurteilen, wenn eine Landesvorschrift neben Gefahrenabwehrzwecken zugleich eigens und hiervon unabhängig allgemein die künftige Strafverfolgung erstrebt und erlaubt (vgl. BVerfGE 150, 244 ).

  • BVerfG, 10.11.2020 - 1 BvR 3214/15

    Erweiterte Datennutzung (Data-mining) nach dem Antiterrordateigesetz teilweise

  • BVerfG, 19.05.2020 - 1 BvR 2835/17

    Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung nach dem BND-Gesetz verstößt in derzeitiger

  • BVerfG, 24.04.2013 - 1 BvR 1215/07

    "Antiterrordatei"

  • BVerfG, 16.12.2020 - 2 BvE 4/18

    Erfolgloses Organstreitverfahren gegen verweigerte Benennung eines

  • BVerfG, 02.03.2006 - 2 BvR 2099/04

    Kommunikationsverbindungsdaten

  • BVerfG, 27.10.1998 - 1 BvR 2306/96

    Bayerisches Schwangerenhilfegesetz

  • EuGH, 21.12.2016 - C-203/15

    Die Mitgliedstaaten dürfen den Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste

  • BVerfG, 02.03.2010 - 1 BvR 256/08

    Vorratsdatenspeicherung

  • BVerfG, 24.01.2012 - 1 BvR 1299/05

    Zuordnung dynamischer IP-Adressen

  • BVerfG, 11.03.2008 - 1 BvR 2074/05

    Automatisierte Kennzeichenerfassung

  • BVerfG, 10.02.2004 - 2 BvR 834/02

    Landesrechtlich geregelte Straftäterunterbringung (so genannte nachträgliche

  • BVerfG, 13.06.2017 - 2 BvE 1/15

    Die Bundesregierung hat Auskünfte zum Einsatz von V-Leuten im Zusammenhang mit

  • BVerfG, 09.02.1972 - 1 BvR 111/68

    Verfassungsrechtliche Prüfing des Verbots von Anlagen der Außenwerbung innerhalb

  • BVerfG, 15.12.1983 - 1 BvR 209/83

    Volkszählung

  • BVerfG, 06.12.2016 - 1 BvR 2821/11

    Die Dreizehnte Novelle des Atomgesetzes ist im Wesentlichen mit dem Grundgesetz

  • BVerfG, 16.01.1957 - 1 BvR 253/56

    Elfes

  • BVerfG, 14.07.1999 - 1 BvR 2226/94

    Telekommunikationsüberwachung I

  • BVerfG, 07.03.2017 - 1 BvR 1314/12

    Erfolglose Verfassungsbeschwerden gegen landesrechtliche Einschränkungen für

  • EuGH, 20.09.2022 - C-793/19

    Der Gerichtshof bestätigt, dass das Unionsrecht einer allgemeinen und

  • BVerfG, 13.06.2007 - 1 BvR 1550/03

    Abruf von Kontostammdaten

  • BVerfG, 15.12.1970 - 2 BvF 1/69

    Abhörurteil

  • EuGH, 06.10.2020 - C-511/18

    Rechtsangleichung

  • BVerfG, 18.12.2018 - 1 BvR 2795/09

    Baden-württembergische und hessische Regelungen zur automatisierten

  • BGH, 31.01.2007 - StB 18/06

    Verdeckte Online-Durchsuchung unzulässig

  • EGMR, 06.09.1978 - 5029/71

    Klass u.a. ./. Deutschland

  • EGMR, 04.12.2008 - 30562/04

    S. und Marper ./. Vereinigtes Königreich

  • EGMR, 04.12.2015 - 47143/06

    EGMR verurteilt Russland wegen geheimer Telefonüberwachung

  • EuGH, 05.04.2022 - C-140/20

    Der Gerichtshof bestätigt, dass das Unionsrecht einer allgemeinen und

  • EGMR, 12.01.2016 - 37138/14

    Ungarns Anti-Terror-Gesetz ist menschenrechtswidrig

  • BVerfG, 13.02.1964 - 1 BvL 17/61

    Verfassungsmäßigkeit des § 3 Nr. 5 ApoG

  • BVerfG, 28.11.1973 - 2 BvL 42/71

    Journalisten

  • BVerfG, 12.12.1991 - 2 BvL 8/89

    Gesetzgebungszuständigkeit zur Regelung der Kostenerstattung für die

  • BVerfG, 13.02.1974 - 2 BvL 11/73

    Hamburgisches Pressegesetz

  • BVerfG, 07.12.2011 - 2 BvR 2500/09

    Verwertungsverbot Wohnraumüberwachung

  • BVerfG, 19.11.2021 - 1 BvR 781/21

    Verfassungsbeschwerden betreffend Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen im Vierten

  • BVerfG, 19.11.2021 - 1 BvR 971/21

    Schulschließungen waren nach der im April 2021 bestehenden Erkenntnis- und

  • BVerfG, 01.12.2009 - 1 BvR 2857/07

    Adventssonntage Berlin

  • BVerfG, 10.11.2015 - 1 BvR 2056/12

    Unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen Versagung von Therapiekosten und

  • BVerfG, 15.07.2015 - 2 BvR 2292/13

    Verfassungsbeschwerde gegen "Dritten Weg" im kirchlichen Arbeitsrecht unzulässig

  • BVerfG, 15.12.1999 - 1 BvR 1904/95

    Berufsbetreuer

  • VGH Bayern, 17.04.2023 - 11 BV 22.1234

    Fahrerlaubnisbehörde kann das Fahren mit Fahrrädern oder E-Scootern nicht

    Allerdings verbietet es der Bestimmtheitsgrundsatz dem Gesetzgeber nicht, Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden (BVerfG, B.v. 8.1.1981 a.a.O.; Grzeszick, a.a.O. Rn. 62; Sommermann in von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 289) oder sich der Verweisungstechnik zu bedienen (vgl. BVerwG, B.v. 31.5.2022 - 6 C 2.20 - NVwZ 2022, 1802 Rn. 53; BVerfG, B.v. 9.12.2022 - 1 BvR 1345/21 - EuGRZ 2023, 109 = juris Rn. 97 ff.).
  • VerfGH Sachsen, 25.01.2024 - 91-II-19

    Abstrakte Normenkontrolle betreffend einzelner Vorschriften aus dem Sächsischen

    Weiterhin habe das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 - zum Sicherheits- und Ordnungsgesetz in Mecklenburg-Vorpommern Verweisungsketten in Bezug auf zu verhütende Straftaten von erheblicher Bedeutung bzw. auf terroristische Straftaten für mit dem Gebot der Normenklarheit vereinbar gehalten.

    Entscheidet sich der Gesetzgeber im Bereich der Gefahrenabwehr dafür, auf bestimmte Straftaten zu verweisen, deren Verhinderung die Maßnahme dienen soll, muss sichergestellt sein, dass nicht auf Straftaten verwiesen wird, die Situationen erfassen, in denen die Strafbarkeitsschwelle durch die Pönalisierung von Vorbereitungshandlungen oder bloßen Rechtsgutsgefährdungen ins Vorfeld von Gefahren verlagert wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 2. März 2010, BVerfGE 125, 260 [329]; vgl. zur Frage der Übermittlung erhobener Daten BVerfG, Urteil vom 19. Mai 2020, BVerfGE 154, 152 [269 Rn. 221]; vgl. Beschluss vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 - juris Rn. 95).

    Allerdings führt die gesetzestechnische Anknüpfung an Straftaten zur Unverhältnismäßigkeit, soweit die in Bezug genommenen Straftatbestände Vorbereitungshandlungen und bloße Rechtsgutsgefährdungen unter Strafe stellen (vgl. zur Frage des Zugriffs der Sicherheitsbehörde auf zuvor gespeicherte Daten BVerfG, Urteil vom 2. März 2010, BVerfGE 125, 260 [329]; vgl. zur Frage der Übermittlung erhobener Daten BVerfG, Urteil vom 19. Mai 2020, BVerfGE 154, 152 [269 Rn. 221]; vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 - juris Rn. 95), und die Vorschrift nicht zusätzlich fordert, dass damit bereits eine konkretisierte Gefahr für das durch den Straftatbestand geschützte Rechtsgut vorliegt (BVerfG, Beschluss vom 22. September 2022, BVerfGE 163, 43 [94 Rn. 134]), weil bei diesen Straftaten die konkrete Gefährdung des geschützten Rechtsguts selbst nicht Tatbestandsmerkmal ist (s.o. C I 2 b cc).

    Ebenso handelt es sich bei den §§ 129a und 129b StGB, auf die § 4 Nr. 5 Buchst. a und b SächsPVDG verweist, um abstrakte Gefährdungsdelikte, die nicht das Vorliegen einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut fordern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 - juris Rn. 95).

    Bei der Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung und zur gezielten Kontrolle handelt es sich um einen erheblichen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 33 SächsVerf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 - juris Rn. 174 f.).

    Derzeit bietet die Norm weder hinreichende Maßstäbe für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Überwachung durch die Polizeibehörden noch kann der Einzelne auf dieser Grundlage vorhersehen, bei welcher Gelegenheit im Zusammenhang mit der Überwachung von öffentlichen Anlagen und Einrichtungen Daten über ihn erhoben werden dürfen, obgleich es dem Gesetzgeber möglich gewesen wäre, verständlich zu regeln, welche Voraussetzungen für die Bild- und Videoüberwachung von öffentlichen Anlagen und Einrichtungen gelten (vgl. für die heimliche Wohnungsbetretung BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 - juris Rn. 154).

    Insoweit genügt die Regelung nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der bei einer gefahrenrechtlichen Maßnahme, die nur zum Schutz bestimmter Rechtsgüter verhältnismäßig ist, verlangt, dass bei einer Anknüpfung an Straftaten sichergestellt sein muss, dass ein solcher Verweis entweder keine Delikte erfasst, die Vorbereitungshandlungen oder bloßen Rechtsgutsgefährdungen unter Strafe stellen (s.o. C I 2 b; BVerfG, Urteil vom 2. März 2010, BVerfGE 125, 260 [329]; Urteil vom 19. Mai 2020, BVerfGE 154, 152 [269 Rn. 221]; vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 - juris Rn. 95), oder zusätzlich fordert, dass eine konkretisierte Gefahr für das durch den Straftatbestand geschützte Rechtsgut vorliegen muss (s.o. C I 2 b cc; BVerfG, Beschluss vom 22. September 2022, BVerfGE 163, 43 [94 Rn. 134]).

  • BVerfG, 16.02.2023 - 1 BvR 1547/19

    Regelungen in Hessen und Hamburg zur automatisierten Datenanalyse für die

    Besonders eingriffsintensiv ist auch, wenn sich das Verhalten einer Person, deren Gewohnheiten oder deren Lebensgestaltung räumlich und über längere Zeit hinweg nachvollziehen lassen, wenn also ein Bewegungs- oder Verhaltensprofil einer Person oder ein umfassenderes Persönlichkeitsbild entstehen kann (vgl. BVerfGE 115, 320 ; 120, 378 ; 125, 260 ; 141, 220 ; 150, 244 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 287, 321 ff.; Beschluss des Ersten Senats vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 -, Rn. 174 f. - Polizeiliche Befugnisse nach SOG MV).

    Ein solcher Bezug wird dann überhaupt erst durch die Maßnahme hergestellt, und es steigt das Risiko, dass Personen in weitere polizeiliche Maßnahmen einbezogen werden, die dafür keinen zurechenbaren Anlass gegeben haben (vgl. auch BVerfGE 115, 320 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 -, Rn. 189 - zur Rasterfahndung).

    Die dem Eingriffsgewicht entsprechenden Anforderungen des Gebots der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne richten sich sowohl an das mit der Maßnahme zu schützende Rechtsgut als auch an die Eingriffsschwelle, also den Anlass der Maßnahme (vgl. auch BVerfGE 141, 220 <269 Rn. 104, 270 f. Rn. 106 ff., 271 ff. Rn. 109 ff.>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 174; Beschluss des Ersten Senats vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 -, Rn. 89; dazu unten Rn. 104 ff.).

    Während also bei eingriffsintensiven Maßnahmen eine konkretisierte Gefahr und der Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter zusammenkommen müssen, genügt bei weniger eingriffsintensiven Maßnahmen, wenn die gesetzliche Ermächtigungsnorm eine konkretisierte Gefahr oder den Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter voraussetzt (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 -, Rn. 173).

    Knüpft der Gesetzgeber an die Begehung solcher Straftaten an, muss er also zusätzlich fordern, dass damit bereits eine konkretisierte oder konkrete Gefahr für das durch den Straftatbestand geschützte Rechtsgut vorliegt (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 28. September 2022 - 1 BvR 2354/13 -, Rn. 134; Beschluss des Ersten Senats vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 -, Rn. 92).

  • BVerwG, 15.06.2023 - 1 C 10.22

    Rechtmäßigkeit des Betretens von Räumen in Flüchtlingsunterkünften

    Art. 13 Abs. 1 GG gewährt ein Abwehrrecht zum Schutz der räumlichen Privatsphäre und soll Störungen vom privaten Leben fernhalten (BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 - juris Rn. 130).

    Aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ergibt sich ferner, dass in die Wohnungsfreiheit nur eingegriffen werden darf, wenn und soweit die Maßnahme zur Gefahrenabwehr geeignet und erforderlich ist, und dass im Einzelfall die rechtsstaatliche Bedeutung der Unverletzlichkeit der Wohnung mit dem öffentlichen Interesse an der Wahrung von Recht und Ordnung abgewogen werden muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 - juris Rn. 146 und Urteil vom 13. Februar 1964 - 1 BvL 17/61 u. a. - BVerfGE 17, 232 ; BVerwG, Urteil vom 6. September 1974 - 1 C 17.73 - BVerwGE 47, 31 ).

  • BVerwG, 25.01.2023 - 6 A 1.22

    Kein vorbeugender Rechtsschutz des Vereins Reporter ohne Grenzen auf Unterlassung

    Unabhängig davon verlangt auch das Bundesverfassungsgericht eine nähere Begründung der Betroffenheit, wenn es um Überwachungsmaßnahmen geht, deren Streubreite - anders als bei der Ausland-Ausland-Aufklärung - rechtlich und tatsächlich eingeschränkt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 - juris Rn. 54).

    Dies gilt unabhängig davon, ob das Fachgericht den Rechtsbehelf für zulässig, insbesondere statthaft erachtet oder nicht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 8. Juni 2021 - 1 BvR 2771/18 - BVerfGE 158, 170 Rn. 68 ff. , vom 20. Januar 2022 - 1 BvR 1552/19 - MMR 2022, 372 Rn. 18 und vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 - juris Rn. 47).

  • BVerfG, 06.12.2023 - 1 BvR 1781/18

    Mangels Aufzeigens einer möglichen Grundrechtsverletzung unzulässige

    Potentiell kann hiervon jede Person betroffen sein, da Daten aus unterschiedlichen Datenbanken abgefragt werden, um diese mit anderen Daten aus unterschiedlichen Beständen abzugleichen oder so bisher unbekannte Personen zu identifizieren (vgl. dazu BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 -, Rn. 73 - Polizeiliche Befugnisse nach SOG MV).

    Mit ihrem Hinweis, dass das Bundesverfassungsgericht die Rasterfahndung im Gefahrenvorfeld grundsätzlich ausgeschlossen habe (vgl. BVerfGE 115, 320 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 -, Rn. 186 ff.), können die Beschwerdeführenden eine mögliche Grundrechtsverletzung demgegenüber schon deshalb nicht aufzeigen, weil Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayPAG a.F. die Rasterfahndung - entgegen der Annahme der Beschwerdeführenden - nur zur Abwehr einer konkreten Gefahr zulässt (vgl. dazu BayLTDrucks 17/20425 S. 68).

  • VerfGH Bayern, 14.06.2023 - 15-VII-18

    Polizeilicher Präventivgewahrsam

    Sie zeigen nicht auf, dass es dem Gesetzgeber - entgegen der langjährigen und seitens des Bundesverfassungsgerichts erst kürzlich bestätigten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. VerfGH vom 7.2.2006 VerfGHE 59, 29/42 m. w. N.; BayVBl 2022, 702 Rn. 126; BVerfG vom 4.4.2006 BVerfGE 115, 320/361; vom 20.4.2016 BVerfGE 141, 220 Rn. 112; vom 27.5.2020 BVerfGE 155, 119 Rn. 147; BVerfGE 156, 63 Rn. 205; BVerfG vom 9.12.2022 - 1 BvR 1345/21 - juris Rn. 90 ff.; BVerwG vom 23.2.2011 - 8 C 50.09 - juris Rn. 31; vom 6.2.2019 BVerwGE 164, 317 Rn. 33 f.) - generell verwehrt sein sollte, Eingriffsbefugnisse auch im Vorfeld konkreter Gefahren zu schaffen.
  • OLG Saarbrücken, 12.04.2024 - 1 Ws 42/24

    Führungsaufsicht, Ausschreibung zur Beobachtung, Voraussetzungen

    Es werden lediglich Zufallserkenntnisse, etwa im Rahmen von unabhängig von der polizeilichen Beobachtung stattfindenden polizeilichen Kontrollen, bei der ausschreibenden Stelle zusammengeführt, um insbesondere verwendete Reiserouten sowie andere Zusammenhänge und Querverbindungen nachvollziehen zu können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 -, juris, Rn. 174 f. zu § 35 Abs. 1 SOG MV; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 12. Januar 2023 - 10 C 22.113 -, juris zu Art. 36 PAG).
  • BVerfG, 17.04.2023 - 1 BvR 176/23

    Unzulässige Verfassungsbeschwerden gegen Befugnisse zur

    Soweit die Beschwerdeführenden eine Verletzung von Grundrechten in ihrer Abwehrdimension rügen, haben sie ihre Selbstbetroffenheit durch die angegriffenen Rechtsnormen nicht in einer den § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügenden Weise aufgezeigt (vgl. dazu BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 98 - BayVSG; Beschluss des Ersten Senats vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21-, Rn. 44 - Polizeiliche Befugnisse nach SOG MV).

    Sie hätten insbesondere näher auf § 500 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 67 BDSG eingehen müssen, wonach möglicherweise auch beim Offenhalten einer Sicherheitslücke eine Datenschutz-Folgenabschätzung vorzunehmen ist (vgl. dazu BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 -, Rn. 67).

  • AG Düsseldorf, 26.02.2024 - 37 C 158/22

    Schmerzensgeld "Polizeibeamter im Einsatz" Gewaltbegriff

    Für die Abgrenzung maßgeblich ist zunächst der Schwerpunkt des verfolgten Zwecks (BVerfG Beschl. v. 9.12.2022 - 1 BvR 1345/21, BeckRS 2022, 41609 Rn. 167, beck-online).
  • VG München, 09.08.2023 - M 23 K 21.4198

    Passivlegitimation, tierschutzrechtliche Anordnungen, hoher Tierbestand,

Haben Sie eine Ergänzung? Oder haben Sie einen Fehler gefunden? Schreiben Sie uns.
Sie können auswählen (Maus oder Pfeiltasten):
(Liste aufgrund Ihrer bisherigen Eingabe)
Komplette Übersicht